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  • Miri

NPL - Etappe 10: Kilpisjärvi bis Alta (Finnland & Finnmark)

Nachdem wir uns am mega leckeren Frühstückbuffet im Hostel in Kilpisjärvi nochmal gestärkt haben, verließen wir die Zivilisation wieder und tauchten wieder ein in einsame Fjellgebiete.


Als wir los gingen, hat sich die Wolkendecke aufgelöst und die Sonne strahlte vom Himmel herab. So wenn doch nur jeder Tag starten könnte! Es war windstill und die Sonne konnte die Luft in Ruhe aufwärmen. Mütze und Handschuhe konnten so endlich mal wieder im Rucksack bleiben.


Wir liefen eine Zeit lang am Cáhkáljohka entlang, der sogar einen kleinen Wasserfall machte.



Dann ging es stetig bergauf. Es begleitete uns die Aussicht auf den für die Samen heiligen Berg Saana und einige schneebedeckte Gipfel dahinter. Dann erreichten wir den See Čáhkáljávri, der mit seiner tiefblauen spiegelnden Oberfläche wunderschön aussah.





Die Wege waren meist gut zu gehen, wurden aber immer mal wieder durch Geröllpassagen unterbrochen. Auch einige sumpfige und schlammige Abschnitte mischten sich dazwischen.






Mit dem Čoahpejávri erreichten wir den nächsten traumhaften See. Noch einen See weiter - am Saarijärvi standen wir dann vor unserer ersten finnischen Wanderhütte und machten dort Mittagspause.





Die finnischen Hütten waren weniger gemütlich als die norwegischen und eher spärlich eingerichtet - statt Betten gab es zum Beispiel nur eine lange Holzpritsche. Aber es gab einen Holzofen und einen Gaskocher und damit alles was man brauchte. Und sie waren umsonst. Etwas, das unserem Reisebudget gerade nicht schadete ;)


Da wir vom Frühstücksbuffet immer noch ziemlich voll waren, gab’s nur zwei Kekse und Kaffee. Den aber heute sogar mit Hafermilch. Im Supermarkt in Kilpisjärvi haben wir Mini-Tetrapacks mit Hafermilch entdeckt - super zum mitnehmen.




Danach ging es weiter bergauf über viel Geröll. Plötzlich krachte es vor mir und als ich aufsah, sah ich Flo mitten im Geröll liegen. Er war auf einem der Steinbrocken weggerutscht. Das ist mit den schweren Rucksäcken echt gefährlich. Sobald man einmal wegrutscht und das Gleichgewicht verliert, zieht einen das Gewicht sofort zu Boden und man hat fast keine Chance, sich irgendwie abzufangen. Er hatte sich den ganzen Unterarm aufgeschrammt und blutete. Und seine Rippen hatte er sich stark geprellt. Wir desinfizierten die offenen Stellen schnell und vergewisserten uns dann, dass sonst wirklich alles in Ordnung war. Nachdem wir uns von dem kurzen Schreck erholt hatten, gingen wir vorsichtig weiter.




Die Landschaft wurde karger und steiniger. Ein paar Schneereste lagen neben dem Weg. Vor ein paar Tagen muss hier noch viel mehr Schnee gelegen haben, wie uns Katharina und Manuel erzählten. Da hatten wir also Glück!


Wir passierten eine übergroße Wegmarkierung: ein riesiger Steinhaufen mit mehreren igelförmig hineingesteckten Wegmarkierungspfosten. Also die konnte man wahrscheinlich nicht mal bei Nebel übersehen.





Dann ging es wieder ein Stück bergab und wir machten auf einem Felsen nochmal Snickers-Pause. Es war so schön, wenn man mal Pausen machen kann ohne gleich zu erfrieren. Auch mit dem Trinken klappte es gleich viel besser, wenn es nicht so kalt ist. In Kilpisjärvi haben wir Teebeutel für kaltes Wasser gefunden. Das machte auch gleich einen riesen Unterschied, wenn das Wasser ein bisschen Geschmack hat :)



Kurz darauf standen wir dann vor einer großen Talrinne - dem Guinjarvággi. Wir stiegen hinab, überquerten einen Fluss und folgten ihm dann bis zur nächsten Hütte.







Bei dem schönen Wetter wollten wir heute aber mal wieder im Zelt schlafen und gleich mal die neuen Isomatten testen. Als wir gerade überlegten, was wir heute zum Abendessen machen (die Auswahl bestand allerdings nur aus Nudeln oder Couscous), klopfte jemand ans Zelt. Ich schaute hinaus und sah in das nette Gesicht eines Finnen, der uns fragte, ob wir Pfannkuchen wollen. Er und seine Frau hätten nicht alle geschafft. Natürlich wollen wir ;) Sogar eine kleine Packung Zucker hatte er uns dazu gelegt.




Als wir am nächsten Morgen einen Blick nach draußen warfen, stellten wir fest, dass wir mitten in weißem Nichts waren. Es hatte so dichten Nebel, dass wir die Hütte kaum noch erkennen konnten. Und es regnete. Wir packten schnell alles zusammen und marschierten dann bei 4 Grad und eiskaltem Wind durch den Nebel.




Die Wege zur nächsten Hütte waren zum Glück gut zu gehen und so kamen wir trotzdem schnell voran.



Gegen Mittag verzog sich der Nebel dann und wir konnten ein großes Tal mit drei Seen vor uns erkennen. Rechts neben uns ragte der markante Gipfel des Saivaara empor. Wir allerdings stiegen nach links in das Tal ab und erreichten unten die Meekonjärvi-Hütte. Leider war sie verschlossen und so machten wir nur auf der Verande kurz Pause.







Dann liefen wir zuerst am Meekonjärvi, dann am Vuomakasjärvi entlang. Zwischendrin mussten wir den Vuomakasjoki überqueren. Zum Glück war die kaputte Brücke inzwischen wieder aufgebaut worden. Wir kamen noch an einer kleinen Schlucht vorbei und erreichten nach ein paar weiteren Geröllpassagen schließlich die Pitsusjärvi-Hütte.






Sie war klein und typisch finnisch spärlich eingerichtet. Aber egal, wo man ist, wenn irgendwo ein Holzofen bollert ist es immer gemütlich :) Wir waren heute beide richtig k.o. und wollten nur noch schlafen. Also machten wir uns direkt ans Abendessen. Da es in der Hütte schon ziemlich dunkel war, zündeten wir die einzige Kerze, die noch da war, zum essen an - machten sie danach aber gleich wieder aus, damit die nächsten Gäste auch noch was davon haben.




Wenig später polterte es im Vorraum und ein älterer Mann kam herein. Er grüßte nicht, stand ein paar Minuten im Raum und sah sich um und ging dann wieder ohne ein Wort zu sagen. Ziemlich seltsam.


Es war 19.00 Uhr finnischer Zeit - also für uns eigentlich erst 18.00 Uhr, aber wir waren so müde, dass wir trotzdem schon ins Bett gingen.


Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 6.00 Uhr. Flo stand zuerst auf. Er setzte sich auf und es gab einen dumpfen Knall. Er war mit dem Kopf gegen den Balken der Pritsche über uns gestoßen. Zehn Minuten später schälte ich mich auch aus dem Schlafsack und - dong - machte mein Kopf ebenfalls Bekanntschaft mit dem Balken. Na super.


Wir heizten den Ofen nochmal kurz ein, damit wir uns nochmal aufwärmen konnten, bevor es dann den ganzen Tag wieder kalt wird. Es regnete und stürmte immer noch. Zum Frühstück gab es gleich noch einen Liter Tee, weil wir tagsüber bestimmt wieder zu wenig trinken würden.


Zuerst ging es dann den Hang hinter der Hütte hoch und dann immer weiter bergauf.



Als wir in einer Hochebene angekommen waren, waren wir wieder umhüllt von dichtem Nebel. Teilweise konnten wir nicht mal bis zur nächsten Wegmarkierung sehen. Das funktionierte noch ganz gut, solange ein Weg erkennbar war. Aber oft ging es über Geröll oder von Felsen durchzogene Wiesen und wir brauchten immer etwas, bis wir herausfanden in welche Richtung es weiter geht. Weite Teile der Hochebene standen durch den Regen unter Wasser.





Nachdem wir zwischen zwei Seen hindurch gegangen waren, standen wir vor dem Goapmajohka. Er war ziemlich breit und tief. Es wären zwar viele Steine im Wasser, aber die waren durch den hohen Wasserpegel fast alle überspült. Eigentlich hätten wir die Schuhe ausziehen müssen. Aber es war einfach viel zu kalt und das An- und Ausziehen kostete immer Zeit. Zeit, in der wir uns nicht bewegen und uns noch kälter wird. Also versuchten wir es mit Schuhen. Natürlich war das eine blöde Idee. Die Steine waren extrem glitschig und manche einfach zu tief unter Wasser, so dass wir es nicht ganz mit trockenen Füßen rüber schafften.




Danach ging es über viel Geröll und wegen der schlechten Sicht in ziemlichem Zickzack wieder bergauf. Dann mussten wir feststellen, dass uns der Wanderweg gleich nochmal zweimal über den Goapmajohka führte. Die Querungen waren auch nicht besser als die erste. Und wir haben auch nicht dazu gelernt und weigerten uns immer noch, sie ohne Schuhe zu machen. Immerhin waren sie ja jetzt eh schon ziemlich nass.





Beim ersten klappte das sogar ganz gut. Beim zweiten versuchten wir ein paar Steine an die richtigen Stellen zu werfen, aber er war recht breit und so weit konnten wir dann auch nicht werfen. Also wurden die Schuhe noch ein bisschen nässer. Wir mussten dann noch über drei weitere Flüsse, die in den Somasjärvi flossen. ‚Jetzt wo die Schuhe schon nass sind, brauchen wir auch nicht mehr mit Ausziehen anfangen‘, dachten wir uns. Also einfach durch. Danach stand das Wasser in den Stiefeln. Das schleppten wir dann noch zwei Kilometer mit über die norwegische Grenze bis zur Somashytta - eine offene Statskog-Hütte.



Eigentlich wollten wir heute noch ein Stück weiter gehen und dann im Zelt schlafen. Aber es schüttete immer noch und der Gedanke an unser noch vom letzten Mal nasses Zelt wirkte nicht sonderlich anziehend. Außerdem hatte der Fluss, über den wir weiter mussten, um auf direktem Weg von hier zur Nedrefosshytta zu kommen, gerade extrem viel Wasser. Direkt an der Hütte war der Wasserpegel bei über zwei Metern. Wir quartierten uns also in der Hütte ein und sahen uns dann später nochmal die Karte an. Wir beschlossen, es morgen etwas weiter nördlich zu versuchen. Dort führt auch eine Quadspur über den Fluss, der wir bis dahin folgen konnten. Die Hütte schien bei Jägern beliebt zu sein - draußen lagen überall Knochen und Geweihstücke herum.


Leider war die  Hütte von unseren Vorgängern in keinem guten Zustand verlassen worden. Das Geschirr war nicht abgespült, es war kein Holz da und generell war alles ziemlich dreckig. Also ging Flo erstmal Holz hacken und ich machte Ordnung. Gas gab es keines in der Hütte, aber wir konnten zumindest Wasser in einem kleinen Kessel auf dem Holzofen erwärmen. Es dauerte bis der Ofen die Hütte aufwärmte. Solange kuschelte ich mich in meinen Schlafsack und setzte mich an die aufgeschobenen Tagebucheinträge.





Als es dann warm wurde, merkten wir wie müde wir eigentlich schon wieder waren. Irgendwie reichte unsere Energie momentan immer nur bis nachmittags. Dann fingen bei mir die Kopfschmerzen wieder an und ich fühlte mich irgendwie kränklich. Auch Flo war nicht so fit gerade. Am liebsten würden wir einfach durchziehen und so schnell es geht Alta erreichen. Blöd nur, dass uns da unsere wenige Energie in die Quere kam. Also machten wir uns um 19.00 Uhr bereits wieder bettfertig. Eine Stunde später hörten wir draußen dann Geräusche und zwei ältere Finnen kamen aus der Dunkelheit herein.


Mit Schlafen war dann nicht viel in dieser Nacht. Die Finnen schnarchten um die Wette, dass die ganze Hütte brummte. Da halfen auch keine Ohropax mehr.


Am nächsten Tag entschuldigten sie sich. Sie wollten noch wissen, wie wir weiter gehen und meinten, die Stelle, an der wir den Fluss überqueren wollen, dürfte klappen.


Es war wieder extrem nebelig und nieselte zwar nur, aber irgendwie war der Niesel so dicht, dass wir trotzdem innerhalb kurzer Zeit nass waren. Auch der Wind war wieder extrem stark und bald froren wir nur noch. Wir folgten der Quadspur etwa zwei Kilometer lang. Die Furt über den Fluss an dieser Stelle war nicht schwierig. Der Fluss floss nur langsam und das Wasser war maximal knietief.



Ab hier ging es dann weglos über die Hochebene weiter. Diese Abkürzung sparte uns etwa 26 Kilometer im Vergleich zum Wanderweg. Es war allerdings so nebelig, dass wir nur etwa 20 Meter Sicht hatten. Karte und Kompass würden uns so nicht viel helfen und wir verließen uns hauptsächlich auf den Track, den wir mit Martins Infos in Komoot gebastelt hatten. Zu Beginn ging es über hügelige Fjelllandschaft aufwärts. Wobei wir durch die schlechte Sicht wahrscheinlich mehr Höhenmeter machten, als nötig gewesen wären. Manche Hügel hätte man bestimmt umgehen können. Nach ein paar Kilometern kam ein zweiter Fluss, den wir aber gut über Steine überqueren konnten.



Das Wasser floss maximal bis zu den Knöcheln, was normalerweise kein Problem für unsere wasserdichten Stiefel ist. Doch heute lief direkt beim ersten Schritt das Wasser in meinen linken Schuh. Es kam irgendwo im Zehenbereich durch. Ein Loch konnte ich nicht finden. Vielleicht war die wasserdichte Membran an der Stelle kaputt. Woran es auch lag, auf jeden Fall waren meine Schuhe jetzt ziemlich nass, das reingelaufene Wasser ziemlich kalt und ich ziemlich frustriert. Die Schuhe waren gerade mal vier Wochen alt. Da ich es jetzt aber auch nicht ändern konnte, liefen wir weiter.


Es ging durch Gestrüpp, das stellenweise recht sumpfig war. Danach über eine Fläche, die teilweise unter Wasser stand und mit vielen Wasserlöchern gespickt war. Bei jedem Schritt lief neues kaltes Wasser in meinen Schuh.




Wir hatten gerade mal fünf Kilometer hinter uns und noch über 20 vor uns. Mir war eh schon so kalt und dann den ganzen Tag nasse Füße, vor allem wenn man eh schon gesundheitlich angeschlagen ist, war jetzt nicht gerade das beste. Nach knapp zehn Kilometern hielt ich es nicht mehr aus. Mein Fuß schmerzte vor Kälte. Ich zog meinen trockenen Ersatzsocken an und stülpte eine Plastiktüte darüber bevor ich wieder in den Stiefel stieg, damit er nicht gleich wieder nass wurde.



Funktionierte in der Theorie gut. In der Praxis war die Tüte allerdings nach einer Stunde durchgewetzt und damit auch der Ersatzsocke nass.


Wir liefen weiter durch den Regen und den Nebel ohne wirklich was von der Landschaft zu sehen. Manchmal standen wir plötzlich vor einem Felsvorsprung und dahinter war alles weiß. Manchmal konnten wir zumindest erahnen, was unter uns lag.





Immer wieder mussten wir über Geröllfelder, die vom Regen wieder ziemlich glatt waren. Wir rutschten mehrmals ab. Der eisige Wind fegte weiter über die flache Ebene. Es war anstrengend und machte nicht wirklich viel Spaß. Und irgendwie kam heute alles zusammen. Ich war nur am frieren und ich war wütend. Wütend auf den Nebel, den Regen und die Kälte. Wütend auf die rutschigen Steine. Wütend auf meine kaputten Schuhe. Und wütend auf mich, weil ich nicht fit war. Ich hatte keine Kraft mehr und konnte mir nicht vorstellen, unter diesen Bedingungen noch so weit zu laufen. Am liebsten hätte ich mich auf einen Stein gesetzt und einfach nur geheult und alles rausgelassen. Aber dafür war es zu kalt. Also zwang ich mich, die Zähne zusammen zu beißen und einfach weiter zu laufen.


Da es auch für Pausen zu kalt war, naschten wir zwischendurch nur immer ein paar Nüsse. Bei einer knackte es dann plötzlich und mein unterer Retainer war aus der Verankerung gebrochen. Auch das noch. Also wenn es mal schlecht läuft, dann richtig. Sobald wir Netz haben, muss ich in Alta also nach einem Kieferorthopäden suchen.


Nachmittags zog der Nebel dann doch noch auf und wir konnten endlich etwas von der Landschaft sehen, in der wir seit Stunden unterwegs waren. Wir kamen an einer kleinen Schlucht vorbei und uns umgaben ewig weite Fjellebenen. Wir liefen an einer Felskante entlang, um die kleine Seen und Bächer herum verteilt waren.





Und endlich konnten wir auch die Punkte aus der Routenbeschreibung besser anpeilen. Es ging gut voran und irgendwann sahen wir von der Weitr endlich die Starkstromleitung, der wir ins Tal hinab folgen konnten. Wir liefen geradewegs auf sie zu, landeten in dichtem Birkenwald und als wir einen Masten erreichten, folgten wir der Leitung westwärts, bis sich das tiefe Reisadalen vor uns öffnete. Wir waren sprachlos. Ein ewig langes Tal, durch das sich ein Fluss schlängelte - auf beiden Seiten von steil aufragenden Felswänden begrenzt und mit gelb-braunem Waldflächen bedeckt - lag unter uns. Und um uns dieses Panorama noch etwas zu versüßen, durchdrangen ein paar Sonnenstrahlen die Wolkendecke!



Mit dieser Aussicht ging es dann ziemlich steil 600 Höhenmeter abwärts. Unten angekommen, stießen wir dann wieder auf den Wanderweg. Wir hatten es geschafft!


Wir kamen an der Schutzhütte Vuomatakka vorbei und machten unsere erste Pause heute. Ich musste unbedingt aus den nassen Schuhen raus. Mein Fuß war schon komplett verschrumpelt. Wir wollten eigentlich noch die sechs Kilometer weiter zur Nedrefosshytta laufen, aber beim Blick auf die Uhr fiel uns auf, dass schon in einer halben Stunde die Sonne unterging. Das würden wir nicht mehr schaffen. Außerdem waren wir schon wieder ziemlich k.o. Also wollten wir die Nacht in der Schutzhütte bleiben.




Wir legten unsere Isomatten auf die Holzpritschen und überlegten dann, wie wir weiter gehen wollen. Wenn es weiterhin so nebelig ist und wir zudem nicht wirklich fit waren, wollten wir ungern weglos durch das Nábár laufen. Leider gibt es keine Möglichkeit mehr, das Wetter zu checken. Unsere letzte Vorhersage konnten wir in Kilpisjarvi laden. Auch das mit meinen Schuhen war ziemlich nervig. Im Nábár gibt es keine Hütten. Wenn ich Pech habe, müsste ich vier Tage mit komplett durchnässten Schuhen wandern. Aber wir hatten uns so auf dieses Hochplateau gefreut. Wir beschlossen, morgen in der Nedrefosshytta erstmal einen Pausentag einzulegen. Wenn wir danach wieder fitter waren, würden wir es versuchen, wenn nicht, wollte wir über Kautokeino weiter dem Wanderweg folgen.


Um 20.00 Uhr lagen wir dann schon wieder in den Schlafsäcken und schliefen auch direkt ein.


Am nächsten Tag starteten wir früh um die restlichen Kilometer zur Nedrefosshytta in Angriff zu nehmen und dort dann noch möglichst viel Zeit zu haben. Wir folgten dem Reisaelva durch das enge Tal und sahen die Hütte dann schon bald vor uns. Wir freuten uns schon so auf einen gemütlichen Tag und leckere Pfannkuchen.





Als wir dann jedoch vor der Tür standen, starrten wir fassungslos auf das Schloss. Das DNT-Schloss baumelte neben der Tür und stattdessen verriegelte ein Zahlenschloss den Eingang. Scheinbar musste diese Hütte vorher gebucht werden. Nur dass es hier absolut kein Netz gab. Das konnte jetzt einfach nicht wahr sein.




Total frustriert setzten wir uns an den Tisch auf der Terrasse und überlegten, was wir jetzt tun sollten. Das war es dann wohl mit unserer letzten DNT-Hütte.


Wir sahen auf der Karte, dass es etwa fünf Kilometer weiter nochmal eine Schutzhütte gab. Da der Weg mitten durch dichten Wald führte, würden wir wahrscheinlich auch keinen Zeltplatz finden. Also schulterten wir unsere Rucksäcke wieder und machten uns ziemlich geknickt auf den Weg dorthin. Sie liegt zwar hinter unserem geplanten Einstieg ins Nábár, aber Hubertus war von dort aufgestiegen, also müsste das auch klappen.


Direkt nach der Hütte überquerten wir den Fluss und folgten ihm ab da dann auf der anderen Seite. Teilweise führte der Weg direkt am Hang entlang. Rechts ging es steil etwa 30 Meter nach unten.




Nach dieser Stelle führte der Weg dann immer weiter bergauf. Vom höchsten Punkt hatten wir eine tolle Aussicht zurück und rechts sah man schon die Anfänge des Nábár-Plateaus.



Die kleine Hütte lag einige hundert Meter entfernt vom Wanderweg und war gar nicht so leicht zu finden. Das Dach und die Seitenwände waren komplett mit Gras bewachsen und von hinten sah sie einfach aus wie ein Grashügel. Sie war ziemlich winzig und die Tür war nur etwa 1,50m hoch, so dass wir uns vorkamen wie in einem Zwergenhaus.



Die Wände bestanden innen aus lauter dünnen Baumstämmen. Die Regalbretter waren auf gebogenen Ästen befestigt und weitere solcher Äste hingen als Haken überall an den Wänden verteilt. Flo war richtig begeistert von der rustikalen Hütte und ihrer Bauweise. Mir war sie ein wenig zu düster. Durch das winzige Fenster fiel kaum Licht. Und auch hier lag, wie schon in der letzten Schutzhütte, leider wieder überall Mäusekot herum. Im Hüttenbuch schrieben die Wanderer, die eine Nacht vor uns hier waren, dass sie 80m entfernt der Hütte Bärenkot entdeckt hätten. Da waren wir dann doch ganz froh um diese Schutzhütte.





Wir überlegten dann noch lange, ob wir nun ab morgen durchs Nábár gehen sollen oder nicht. Wir entschieden uns alle paar Minuten um. Ich fühlte mich immer noch nicht besser und auch Flo war gerade einfach nicht fit. Wenn einer von uns doch noch krank werden würde, würden wir aus dem Nábár nicht so schnell rauskommen. Dazu das kalte Wetter mit starkem Wind und der Nebel, der das Navigieren wieder ziemlich erschweren würde... Allerdings bedeutete der Weg über Kautokeino etwa drei Wandertage mehr für uns. Und darauf hatten wir auch keine Lust. Wir wollten diese Etappe einfach nur so schnell wie möglich hinter uns bringen und hofften, dass unsere Energie dafür überhaupt noch ausreichte. Am Ende entschieden wir uns aber gegen das Risiko und für mehr Kilometer. Damit hatten wir einfach das bessere Bauchgefühl.


Als diese Entscheidung dann endlich getroffen war, stellten wir erfreut fest, dass wir dann Essen übrig haben, da der nächste Supermarkt dann schon in 2,5 statt 4 Tagen kommen würde.


Am nächsten Morgen sahen wir aus der Ferne, das über dem Nábár dicke Nebelschwaden hingen und wir waren froh, uns gegen den Aufstieg entschieden zu haben. Die ersten Meter ging es dann noch durch den Wald weiter und da wir nach einem Kilometer schon wieder einen Bärenkothaufen entdeckten, ließen wir lieber ein bisschen Musik laufen. Zum Singen waren wir noch zu müde ;)



Dann lichtete sich der Wald allmählich und wir waren wieder in einem weitläufigen Fjell gelandet. Der Wind fegte über die flache Ebene ziemlich stark hinweg und so liefen wir mit Handschuhen, Mütze und der Kapuze tief ins Gesicht gezogen weiter und konnten die Landschaft vor lauter Kälte gar nicht genießen.



Wir kamen an einen etwas breiteren Fluss. Wir fanden keine Möglichkeit mit unserem Schuhen rüber zu kommen, also zogen wir sie aus und krempelten die Hosen bis zu den Knien hoch. Flo ging als erster.




Als ich dann gerade meinen Rucksack wieder schultern wollte, bemerkte ich etwas, das aussah wie irgendein Tierkot, an ihm. Und auch an meinen Schuhen und an meinem Bein. Keine Ahnung, wie ich das da drauf bekommen habe. Mit Taschentüchern und Flusswasser versuchte ich es wieder abzubekommen, was aber nur in ziemlichem Gefusel endete. Meine Füße und Finger waren in der Zeit schon wieder eingefroren und schmerzten vor Kälte. Mir war eiskalt und ich zitterte nur noch. Und jetzt war auch noch alles voll mit irgendeiner ekligen Kacke.

Ich konnte nicht mehr und hatte einfach überhaupt keine Lust mehr.  Und heute konnte ich es nicht mehr zurück halten. Tränen liefen mir übers Gesicht, als ich den nassen Rucksack wieder aufsetzte und durch den Fluss watete. Die ganze Anstrengung der letzten Monate, das dauernde Aushalten des schlechten Wetters und die schmerzende Kälte der letzten Tage schienen genau jetzt irgendwie zu viel geworden zu sein. Ich merkte, dass ich keine Kraft mehr hatte, das noch länger auszuhalten.


Irgendwann schaffte ich es dann doch, mich wieder zusammenzureißen und weiter zu laufen. Als es dann später wieder bergab ging, landeten wir wieder in einem Sumpfgebiet und nach dem ersten Schritt war mein kaputter Schuh wieder voll mit kaltem, sumpfig-braunem Wasser.



Wenig später mussten wir durch einen weiteren Fluss hindurch waten. Durch seine Breite von etwa 20 Metern waren unsere Füße danach wieder taub vor Kälte.


Wir folgten auf den restlichen Kilometer einer Quadspur, die teilweise aber extrem matschig und zerfurcht von den vielen Quads war.




Als sich dann gegen abends aber doch noch die Sonne zeigte, schaffte sie es sogar, unsere Laune wieder ein bisschen zu heben.




Ein weiterer breiter, glasklarer und tiefblauer Fluss versperrte uns dann nochmal den Weiterweg.




Mit eisgekühlten Füßen dann wieder in die eiskalten und nassen Socken und Schuhe zu steigen war wenig angenehm. Wir beeilten uns schnell die warme Hütte zu erreichen. Bald darauf sahen wir schon den großen Ráisjávri, an dem die Raisavannhytta liegt. Wir gingen noch ein Stück an seinem Ufer entlang. Durch den Wind entstanden kleine Wellen und ein rauschendes Geräusch wie am Strand.



Dann standen wir vor der Statskog-Hütte. Wir ließen unsere Rucksäcke im  Vorraum stehen und wollten schon die Türe zur Hütte öffnen, als wir etwas silbernes an ihr baumeln sahen - ein Zahlenschloss. Alle Gesichtszüge entgleisten uns.  Das durfte jetzt wirklich nicht wahr sein. Statskog-Hütten waren bisher immer offen. Wir rüttelten an der Tür und am Schloss, was natürlich nichts brachte. Wir stellten wahllos irgendwelche Zahlenkombinationen ein, was natürlich ebenfalls nichts brachte. Und jetzt war der Punkt auch bei Flo erreicht, den ich vorher am Fluss schon erreicht hatte und es gab den zweiten Wutausbruch für heute. Es reichte. Wir konnten beide nicht mehr. Wir waren komplett ausgekühlt. Und wir wollten so unbedingt in diese Hütte, den Ofen anheizen und uns aufwärmen. Meine Schuhe und Socken waren patschnass. So konnte ich morgen nicht nochmal so weit laufen.




Kurzerhand ließ Flo alles stehen und liegen und lief mit beiden Handys den Berg hinter der Hütte hoch in der Hoffnung, irgendwo Netz zu finden und die Hütte noch buchen zu können.  Wir hatten keine Ahnung wie hoch dieser Berg war. Als er ewig nicht zurück kam, baute ich schon mal das immer noch nasse Zelt auf. Irgendwann kam er dann ziemlich wütend und völlig fertig wieder zurück. Er hatte zwar Netz gefunden, aber telefonisch nirgendwo jemanden erreichen können und für die Online-Buchung reichte das Internet nicht. Wir waren beide durch für heute und verkrochen uns schnell in unseren Schlafsäcken.


Nach einer kalten Nacht im Zelt versuchten wir uns mit einem warmen Frühstück aufzuwärmen. Wir probierten wieder eine neue Couscousvariation mit gemahlenen Mandeln, gerösteten gehackten Haselnüssen und Zimt. Schmeckte herrlich und im Zelt roch es nach weihnachtlichem Nusskuchen.


Als ich dann aber in meine nassen, eiskalten Schuhe schlüpfte war jedes wärmende Gefühl sofort wieder erloschen.


Wir haben uns entschieden, heute nicht mehr dem Wanderweg zu folgen sondern auf der Straße weiter nach Kautokeino zu laufen. Wir hatten absolut keine Lust mehr auf Sumpf und Flussquerungen. Wir wollten nur noch auf dem schnellsten Weg nach Kautokeino. Und dann brauchten wir eine Pause! Dazu mussten wir aber noch etwa eineinhalb Stunden einer Quadspur durchs Gelände folgen.


Ein grauer Nebelschleier hing wieder über der Landschaft und wir waren einmal mehr froh, nicht den Weg übers Nábár genommen zu haben. Es war wieder bitterkalt und ziemlich windig.




Nach gut vier Kilometer erreichten wir ein kleines Sami-Dorf, an dem wir auf die Straße wechseln konnten. Der Nebel hatte sich inzwischen verzogen und es war so flach, dass wir kilometerweit sahen. Die Straße verlief ewig weit einfach schnurgerade aus bis sie dann am Horizont verschwand. Und die Landschaft änderte sich all diese Kilometer kaum. Es war mühsam, so die Motivation aufrecht zu halten.





Das spannendste was heute passierte, war, dass die Straße eine Kurve machte. Naja ganz so war es dann doch nicht. Es war ziemlich was los hier in der Gegend, da die Elchjagdsaison begonnen hatte. Alle paar Kilometer trafen wir auf Jäger, die ausgestattet mit großen Gewehren und einem Patronengürtel hier durch die Wälder streiften. Später hielt ein Auto neben uns an und zwei Männer, die etwa in unserem Alter waren, fragten wo wir her kämen und was wir vor hatten und sie erzählten, dass sie jetzt auf Elchjagd gehen würden. So ganz konnten wir das nicht verstehen, wie man bei so einem kalten, regnerischen und windigen Wetter auf keine bessere Idee kommen kann, als sich ein Gewehr umzuschnallen und hier im Wald herum zu laufen. Sie wünschten uns noch eine gute Tour und wir ihnen eine gute Jagd - hofften aber insgeheim, sie würden keinen Elch erwischen.


Wir liefen weiter die Straße entlang und es fing an zu regnen. Uns war einfach nur kalt. Wir versuchten schneller zu gehen damit uns vielleicht ein bisschen wärmer wird, aber das half auch nicht wirklich. Als wir dann endlich wieder Internetempfang hatten, stellten wir fest, dass die Madam Bongos Fjellstue, zu der wir wollten, wohl seit diesem Jahr geschlossen hatte. So ein Mist. Also gerade hatten wir echt Pech mit den Unterkünften. Als der Regen aufhörte, machten wir kurz Pause. Auf Asphalt schmerzten unsere Füße immer schneller als im Gelände. Zum Aufwärmen kochten wir uns eine große Menge Tee. Etwas weiter stand eine Rentierherde auf der Straße und schaute uns zu.




Als wir dann wieder ein paar Kilometer weiter gelaufen waren, hielt das gleiche Auto wie vorhin an. Sie waren auf dem Rückweg und fragten uns ob sie uns mit nach Kautokeino nehmen sollen. Warme Luft strömte uns aus dem Autofenster entgegen. Es wäre schon sehr verlockend gewesen. Aber wir lehnten dankend ab. Eine Stunde später, als der Regen wieder angefangen hatte, bereuten wir es. Wären wir doch einfach mitgefahren. Dann hätten wir heute schon eine warme Unterkunft statt erst morgen. Wir liefen immer weiter und als es langsam Abend wurde, suchten wir nach einem Zeltplatz. Aber es gab nicht viele Flüsse hier und wenn einer unseren Weg kreuzte, waren die Flächen ringsrum entweder zu sumpfig oder zu uneben. Und irgendwie fühlten wir uns auch nicht so richtig wohl hier mit all den Jägern, die noch unterwegs waren. Die Straßenschilder hatten alle Einschusslöcher und ingesamt strahlte die Gegend hier keinen übernachtungsfreundlichen Eindruck aus.



So liefen wir immer weiter. Wir hatten nun schon 33 Kilometer hinter uns und spielten schon mit dem Gedanken, einfach heute noch bis Kautokeino zu laufen. Aber ob wir das noch schaffen vor Einbruch der Dunkelheit? Und ob unsere Füße das überhaupt mitmachen würden…

Wahrscheinlich nicht. Von den nassen Füßen hatte ich inzwischen schon zwei große Blasen bekommen.


Gerade als wir das Zelt einfach irgendwo aufstellen wollten, hielt nochmal ein Auto an und ein älterer Mann fragte „Kautokeino?“ Wir nickten und er bedeutete uns einzusteigen. Wir schauten uns unschlüssig an. Aber die Sehnsucht nach einem warmen Raum gewann und wir stiegen ein. Er redete auf norwegisch mit uns. Wir sagten, dass wir kein norwegisch verstehen. Aber er ließ sich nicht irritieren und redete einfach weiter auf norwegisch. Wir versuchten ihm zu sagen, dass er uns einfach am Ortseingang rauslassen könne. Er nickte, fuhr dann aber einfach weiter. Dann deuteten wir auf den Supermarkt und sagten, er könne hier anhalten. Das gleiche Spiel nochmal. Kurz dachten wir schon, er würde uns gar nicht mehr rauslassen. Dann hielt er aber direkt vor dem Campingplatz an. Wir bedankten uns vielmals und er fuhr davon.


An der Rezeption war niemand mehr da. Wir riefen die Nummer an, die dort hing, erreichten aber keinen. Also stellten wir widerwillig doch nochmal das Zelt auf. Immerhin gab es eine Küche, in der wir uns aufwärmen konnten. Ein älterer Norweger bot uns sogar an, dass wir uns auch in seiner Hütte aufwärmen könnten. Als wir dann völlig fertig im Zelt lagen, kamen bei uns beiden Gedanken darüber auf, wie es wäre, die Tour hier einfach zu beenden. Wir stellten uns vor, wie wir stattdessen die restliche Zeit in Norwegen einfach noch genießen könnten. Vielleicht noch ein paar Städte auf dem Weg zurück ansehen. Noch ein paar schöne Cafés ausprobieren... Mit diesen Gedanken schliefen wir irgendwann ein.


Am nächsten Morgen buchten wir uns ein Zimmer im Hostel, das zum Campingplatz gehörte. Da wir aber erst nachmittags rein durften, machten wir noch einen Spaziergang zum Supermarkt. Auf dem Rückweg wurden wir komplett abgeregnet. Gut, dass unsere Regenkleidung gerade beim Trocknen auf dem Campingplatz hing… Unsere Laune war im Keller. Und ehrlich gesagt wollten wir in dem Moment einfach nur nach Hause. Was hatte es für einen Sinn, sich noch weiter durch diese Kälte zu quälen? Schon seit Tagen hatten wir einfach keinen Spaß mehr. Uns ging es nicht gut und wir waren nur noch am frieren… Es schien, als wäre unsere Energie und unsere letzten Kraftreserven aufgebraucht. Jeden Tag die Kilometer zu schaffen war momentan wirklich nur noch eine Qual für uns. Und die Gedanken von gestern Abend schienen immer verlockender zu werden.


Als wir dann endlich ins Zimmer durften, drehten wir erst mal die Heizung voll auf und legten uns dann sofort ins Bett.


Abends sprachen wir dann nochmal in Ruhe über alles. So wollten wir die Tour auf jeden Fall nicht beenden. Dann wären die letzten Erinnerungen keine positiven und wir würden mit einem schlechten Gefühl nach Hause fahren. Fünf Tage waren es noch ab hier nach Alta und die wollten wir auf jeden Fall gehen. Und wir hofften, dass auf dieser Strecke unsere Motivation und der Spaß am Wandern zurück kommen würde.


Am nächsten Morgen waren wir beide wieder erholter und fühlten uns wieder fitter. Eine große Portion Rømmegrøt mit Zimtäpfeln tat dann das Übrige und gut gelaunt starteten wir in den Tag.



Draußen war wieder alles in einen weißen Nebenschleier gehüllt und das Thermometer zeigte -2 Grad. Aber man konnte dahinter, anders als die letzten Tage, einen blauen Himmel durchscheinen sehen.



Bewaffnet mit drei Schichten Kleidung, Handschuhen und Mütze machten wir uns auf den Weg. Am Supermarkt legten wir noch einen Zwischenstop und kauften uns zwei Thermoflaschen. Damit würde hoffentlich auch das Trinken tagsüber besser klappen.


Die ersten Kilometer ging es auf der Straße weiter nordwärts. Wobei wir oft auf dem Kiesstreifen am Rand oder einer Quadspur, die parallel verlief, laufen konnten.






Der Nebel lichtete sich ganz langsam und wir passierten ein Schild, auf dem die Entfernung nach Alta angegeben war. Puh, noch ganz schön weit.

Am Čábardašjohka-Kraftwerk machten wir Mittagspause und kochten uns nochmal einen Tee.




Kurz darauf ging der Wanderweg dann auf einer Sandstraße weiter. Es dauerte nicht lange, dann sahen wir hinter uns noch jemanden gehen. Wir fragten uns schon, wer denn zu dieser Jahreszeit noch hier unterwegs sein könnte und eigentlich kam da nur eine in Frage: Wir wussten schon, dass Sophie ebenfalls in Kautokeino war, dachten aber, sie ist bestimmt schon vor uns losgegangen, weil wir etwas getrödelt haben heute Morgen. Da waren wir wohl nicht die einzigen ;) Es war richtig schön, sie nochmal wieder zu treffen. Das letzte Mal hatten wir uns in Rjukan vor etwa vier Monaten getroffen. Deshalb gab’s auch gleich eine Menge zu erzählen. Und wir erfuhren, dass auch Sophie vor Kautokeino einen Tiefpunkt hatte und am Ende ihrer Kräfte war. Es tat gut zu hören, dass es auch anderen so ging. Der sonnige Tag heute schien uns aber allen neue Kraft und Motivation zu verleihen und es machte direkt wieder viel mehr Spaß zu wandern - erst recht in so guter Gesellschaft.



Die Landschaft veränderte sich kaum, es ging immer weiter durch inzwischen blattlosen und trist aussehenden Birkenwald. Hin und wieder zeigte ein rotes T an, dass wir uns auf dem Wanderweg befanden. Wobei die Markierungen hier bei dem breiten Weg eher überflüssig waren.



Da meine Füße inzwischen ziemlich schmerzten und wir noch unser Gebäck hatten, dass wir extra vom Supermarkt mitgeschleppt hatten, machten wir nochmal kurz Pause. Sophie wollte heute noch weiter gehen als wir und so verabschiedeten wir uns hier.



Pünktlich zum Sonnenuntergang hatten wir unsere vorgenommenen 25 Kilometer geschafft und suchten uns am nächsten Fluss einen Zeltplatz.



Es war eiskalt sobald die Sonne verschwunden war und wir zündeten uns ein kleines Lagerfeuer an um unsere Hände und Füße nochmal aufzuwärmen bevor es in die Schlafsäcke ging.








Plötzlich war ziemlich viel los auf der Sandstraße. Ein Quad fuhr vorbei und der Mann darauf zeigte uns einen nach oben gestreckten Daumen. Kurz darauf hielt dann ein Auto an und ein junger Mann sprach uns an und fragte wo wir her seien. Flo ging zu ihm uns sie plauderten ein bisschen. Er erzählte, dass er gerade in Deutschland auf dem Oktoberfest war und gestern erst wieder heimgekommen war. Auf Flo’s Frage wie es ihm dann auf dem Oktoberfest gefallen hatte, antwortete er: „It was great. Well, I have Corona now but it was worth it!“ Ernsthaft? Da redete er die ganze Zeit mit uns und ganz nebenbei am Schluss erwähnte er, dass er gerade Corona-positiv ist. Na super…


Als das Feuer herunter gebrannt war, verkrochen wir uns schnell in unseren Schlafsäcken. Es war erst 19.00 Uhr und hatte schon -3 Grad im Zelt. Das Zelt war schon mit einer dünnen Eisschicht überzogen und nach nur 10 Minuten war das restliche Wasser vom Reis kochen im Topf gefroren.



Als es dann komplett dunkel war, schauten wir alle paar Minuten aus dem Zelt. Der kp-Wert war hoch heute und der Himmel klar. Tausende Sterne leuchteten über uns. So einen tollen Sternenhimmel hatten wir lange nicht mehr, weil es meistens bewölkt war. Um 21.00 Uhr war es dann soweit: ein grüner Schleier tanzte in langsamen Wellenbewegungen am Himmel. Dieses Naturschauspiel zu beobachten ist einfach unbeschreiblich! Glücklich und total erfroren konnten wir dann endlich schlafen. Es war ein richtig schöner Tag heute und unser Tief schien vorerst überwunden.





Viel geschlafen haben wir allerdings nicht in dieser Nacht. Es war einfach so kalt. Als wir dann Tee und Frühstück kochen wollten, mussten wir erstmal Eis aus unseren Trinkflaschen klopfen. Das Wasser war über Nacht komplett gefroren.



Vom blauen Himmel war heute leider nichts mehr erkennbar und während wir das Zelt zusammenpackten, fing es an zu schneien. Der Boden war bald von einer weißen Schicht bedeckt.




Nach knapp fünf Kilometern sahen wir von links jemanden auf den Wanderweg kommen. Wir haben Sophie wieder eingeholt und konnten nochmal ein paar Kilometer gemeinsam gehen. Nach 10 Kilometern verabschiedeten wir uns dann ein zweites Mal. Da Sophie zum Kinnarodden statt zum Nordkapp geht, verläuft ihr Weg ab hier weiter östlich und wir werden uns wohl nicht nochmal sehen. Hat sehr viel Spaß gemacht, mit dir zu wandern, Sophie! Wir wünschen dir noch viel Glück für die letzten Kilometer zum Ziel! :)


Unser Weg wurde dann immer öfter von großen Wasseransammlungen unterbrochen, auf denen meistens schon eine dünne Eisschicht schwamm, und wir mussten uns durch das Gestrüpp am Wegrand kämpfen.




Nach ein paar weiteren nervigen Umgehungen sahen wir mitten im Fjell einen lustigen Wohnwagen stehen. Quasi die Winterversion eines Wohnwagens mit Schlittenkuven statt Reifen.



Wir passierten den kleinen Bingis-See und stellten dann fünf Kilometer weiter unser Zelt am Mazéjohka auf. Als wir nach dem Abendessen nochmal rausschauten, fielen schon wieder weiße Flocken vom Himmel. Um 18.00 Uhr waren wir beide schon wieder so hundemüde, dass wir uns bald darauf schlafen legten.





In der Nacht ging der Schnee wieder in Regen über, obwohl es nur 2 Grad draußen hatte. Es regnete die ganze Nacht durch.


Als wir am Morgen starteten hatte es zum Glück aufgehört. Die Straße war aber noch ziemlich nass und wir mussten wieder mehreren großen Wasseransammlungen ausweichen. Einmal floss sogar ein Fluss direkt über den Weg. Mit einer Flussquerung hatten wir hier wirklich nicht gerechnet. Aber über ein paar Steine waren wir schnell drüber.




Der Weg verlief größtenteils wieder kilometerweit schnurgeradeaus und die Landschaft änderte sich wieder kaum. Wir hatten teilweise das Gefühl auf der Stelle zu laufen.



Mittags kam dann die Sonne raus und gleich wirkte alles wieder viel freundlicher und das Wandern machte direkt wieder mehr Spaß. Gerade ist unsere Stimmung irgendwie extrem wetterabhängig.


Am Ende der Strecke wartete noch ein kleiner Anstieg auf uns. Von oben hatten wir endlich auch mal wieder eine schöne Aussicht auf die weitläufige Fjelllandschaft um uns herum und den Unna Suolojávváš rechts von uns.





Dann war es nur noch ein kurzes Stück bis zur Suolovuopmi Fjellstue. Wir überquerten noch einen Fluss und erreichten dann ein kleine Dorf mit vielen roten Holzhäusern.



An der Fjellstue wurden wir dann total herzlich empfangen und die nette Besitzerin zeigte uns gleich alles. Die Zimmer waren richtig süß.



Wenn wir möchten, dürfen wir uns aber auch einfach den ganzen Tag ins Café setzen, bot sie uns an. Wir wären ohnehin die einzigen Gäste. Und wenn wir etwas Abendessen möchten, brauchen wir es nur vorher kurz sagen. Wir fühlten uns hier auf Anhieb wohl. Nach einer langen heißen Dusche, schauten wir ins Café rüber und bestellten - ausgehungert wie wir waren - gleich die halbe Karte ;)




Es gab eine Zimtschnecke, einen Rhabarberkuchen mit Löwenzahnsirup und noch für jeden eine Waffel. Zu den Waffeln bekamen wir ein ganzes Buffet an selbstgemachten besonderen Marmeladen: unter anderem eine Karottenzitronen-, eine Rhabarberingwer und eine Blaubeer-Minzmarmelade. Und auch Brunost gab’s dazu. Wir waren im Himmel :)


Danach spielten wir noch ein bisschen mit dem süßesten Hund der Welt. Er sah aus wie ein riesiger weißer Wattebausch und war auch mindestens so flauschig.



Zum Abendessen bekamen wir dann Burger. Leider gab’s die nur mit Elchfleisch. Wir waren zuerst skeptisch. Aber tatsächlich waren sie unfassbar gut. Das Fleisch war total mild und alles auf dem Burger war hausgemacht - vom Brötchen bis zu den Essiggurken!



Dann wurden wir gefragt, ob wir auch noch Frühstück möchten morgen. Davon stand gar nichts auf der Karte, aber wir freuten uns über das Angebot.


In der Nacht hatte es wieder Minusgrade und alles draußen war gefroren. Wir gingen ins Haupthaus rüber und fanden einen schon gedeckten Tisch vor mit allem was man sich für ein gutes Frühstück wünschen würde. Und alles total liebevoll hergerichtet. Damit hatten wir gar nicht gerechnet. Wir erfuhren, dass alles selbstgemacht war - die Semmeln und Croissants, das Granola, die Säfte und alle Marmeladen. Dazu gab es einen Käseteller, Eier und einen Wurst-/Fischteller. Letzterer beinhaltete einige für uns ziemlich gewöhnungsbedürftige Sorten:  geräuchertes Walfilet, Rentiersalami und Rentierzunge. Wir wollten aber nicht unhöflich sein und probiertes deshalb alles. Nagut, Flo probierte alles - bei der Rentierzunge konnte ich mich wirklich nicht überwinden ;)



Am Ende hatten wir fast alles komplett aufgegessen und waren so voll, dass wir uns nicht mehr bewegen geschweige denn mit schweren Rucksäcken wandern gehen konnten.


Mit lockeren Hüftgurten ging es dann von der Fjellstue aus stetig bergauf, bis wir wieder über der Baumgrenze waren.


Das Licht war heute irgendwie magisch. Fast so, als wäre den ganzen Tag über Sonnenuntergang. Um diese Jahreszeit steht die Sonne hier schon sehr tief und durch die dünne Wolkendecke zeigte sich nur am Horizont ein schmaler oranger Streifen.






Die Landschaft war extrem weitläufig und flach, so dass wir wieder kilometerweit sehen konnten. Ein paar kleinere Seen lagen verteilt neben dem Weg. Allerdings kamen wir auf der gesamten Strecke nur an einem Fluss vorbei, an dem wir dann auch gleich unsere Wasserflaschen auffüllten.







Wir wollten heute so viel gehen wie möglich, damit wir morgen nicht mehr so viele Kilometer haben und in Alta mehr Zeit haben. Den geplanten Pausentag dort haben wir gestrichen, da es langsam zeitlich ziemlich eng wird und wir gerne am 16. Oktober zur Taufe unserer Nichte wieder zuhause sein möchten.


Kurz vor dem kleinen Ort Gargia ging es dann 500 Höhenmeter abwärts und von dort an auf einer befestigten Straße weiter durch Wald.



Um 17.30 Uhr ging die Sonne unter und da wir nicht im Dunklen einen Zeltplatz suchen wollten, gingen wir nur noch drei Kilometer weiter und stellten dann am Waldrand unser Zelt auf. Damit waren es 32 km heute und wir sollten es morgen bis Mittag nach Alta schaffen, wenn wir früh losgehen.


Am frühen Morgen hörten wir dann vor dem Zelt erst Hufgetrampel, dann lautes Schmatzen. Das konnte eigentlich nur ein Elch sein. Rentiere sind meist im Rudel unterwegs und eher nicht im Wald anzutreffen. Er schien aber so nah an unserem Zelt zu sein, dass wir uns nicht trauten unsere Zelttüren zu öffnen. Wenn er so nah da war, wollten wir ihn lieber nicht erschrecken.



Um 7 Uhr waren wir dann startklar. Es ging noch eine Zeit lang auf der kleinen Nebenstraße weiter durch den Wald. Später dann wurden die Bäume weniger und viele Bauernhöfe lagen auf unserem Weg. Ein beißender Odelgeruch lag in der Luft und verfolgte uns ab hier nich einige Kilometer. Wir passierten eine Weide, auf der Kühe grasten. Was für uns jedoch ziemlich ungewohnt war, war dass kein Zaun um die Kühe herum war. Sie könnten theoretisch auch einfach auf die Straße laufen.




Bald darauf überquerten wir noch einen größeren Fluss und bogen dann auf die E45 ein. Ihr folgten wir die restlichen acht Kilometer bis Alta.




Unser Plan ging auf und wir erreichten Alta bereits mittags. Unser Hotel befand sich direkt neben der berühmten Nordlichtkathedrale.



Wir holten noch unser Paket ab, planten die Route für unsere allerletzte Etappe fertig und misteten dann nochmal gründlich die Rucksäcke aus. Alles, was wir nicht mehr unbedingt benötigten, ließen wir in Alta. Das können wir dann auf der Heimreise wieder einsammeln. Und wir ergänzten unsere Ausrüstung noch um ein paar Reflektoren, da wir jetzt viel auf der Straße unterwegs sein werden.


Ein bisschen aufgeregt gingen wir dann ins Bett. Wir können es gar nicht so wirklich glauben, dass jetzt wirklich schon unsere letzte Etappe vor uns liegt…







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